Warum hast du den keine Krone auf dem Kopf? Diese und ähnliche Fragen hört Dr. Stephan König, Chefarzt der Pädiatrie am Spital Brig, aufgrund seines Namens immer wieder von seinen kleinen Patienten. Seit 23 Jahren arbeitet er als Kinder- und Jungendarzt in seiner Praxis um am Spital. Trotz seiner 14-Stundentage spricht der 58-Jährige von seinem Traumberuf: „Kinder sind sehr dankbar und sorgen oft für turbulente Abwechslung.“ WB extra auf Morgenvisite mit dem König vom Spital“ ...
7:30 Uhr im Spital Brig. Dr. Stephan König erkundigt sich bei der verantwortlichen Krankenschwester über die Geschehnisse während der Nacht auf der Kinder- und Säuglingsstation. Dann startet er zu seiner morgendlichen Visite. Zuerst kümmert er sich um die Neugeborenen und später um die anderen kleinen Patienten. „Dü hesch de es geils Hämmli a“, begrüsst ihn ein Dreikäsehoch und zeigt auf die Comic-Figuren auf Königs Hemd. Während der Untersuchung plaudern Patient und Arzt über Mickymaus und Co. Das Eis ist gebrochen, und irgendwelche Ängste verschwunden. „Ich muss in Sachen Comics, Fernsehserien und Abenteuerhelden ständig auf dem Laufenden sein“, schmunzelt König. Auch der heutige moderne Wortschatz der Kids muss dem 58-Jährigen geläufig sein. Trotzdem: Es herrscht nicht immer eitler Sonnenschein auf der Kinderstation: Tragik gehört zum Alltag. Zudem können kranke Kinder teilweise recht quengelig sein und verstehen nicht, was mit ihnen geschieht. Kein Problem für Stephan König. Je mehr die Kinder weinen und je nervöser sie sind, umso ruhiger wird er. Mit sanfter Stimme versucht er, seine Schützlinge zu beruhigen und ihnen zu erklären, warum er ihnen eine Spritze machen muss oder weshalb sie eine unangenehmende Therapie über sich ergehen lassen müssen. Nach Visite instruiert der Chefarutz das Personal über die weitere Vorgehensweise und macht sicher dann schnellstens auf den Weg in seine Praxis.
Ein Leben für den Beruf
Eigentlich wollte Stephan König Deutsch und Literatur studieren und später einmal Schriftsteller oder Journalist werden. Erst gegen Ende Kollegiums in Brig entschloss er sich für das Medizinstudium, welches er an den Universitäten Freiburg und Basel absolvierte. Während seiner Praktika im Kantonsspital Bruderholz wurde ihm klar, dass er künftig den Weg zum Kinderarzt einschlagen wollte. „Ich habe gemerkt, dass mir der Umgang mit Kindern viel Freude bereitet, und irgendwie wurde mir auch bewusst, dass ich das nötige Gespür für die kleinen Patienten habe“.
1980 eröffnete Stephan König in Brig seine Praxis und war fortan auch am Spital tätig, wo er zum Chefarzt der Pädiatrie ernannt wurde. Und obwohl er fast rund um die Uhr im Einsatz steht, liebt er seinen Beruf nach wie vor. „Ich habe meinen Entscheid noch keine Minute bereut – im Gegenteil.“
Stephan König setzt sich auch ausserhalb seiner Arbeitszeit für das Wohl von Kindern und Jugendlichen ein. Sei es durch Vorträge an Schulen und Informationsabenden oder durch die Organisation von Vernissagen zugunsten der Kinderkrebshilfe. Zusammen mit vier weiteren Fachpersonen gründete Stephan König vor einem halben Jahr auch die Schweizerische Interessensgemeinschaft Bettnässen. Ziel dieser IG ist es, das Thema Bettnässen zu enttabuisieren, den Betroffenden Mut zu machen und Hilfe anzubieten. König setzt sich auch vehement gegen den Trend ein, dass junge Mädchen so dünn wie Models ein wollen. „Als Jugendarzt betreue ich immer häufiger Patientinnen, die auf Kosten ihrer Gesundheit einem angeblichen Schönheitsideal nacheifern“. König ist es denn auch zu verdanken, dass bei den diesjährigen Miss-Earth-Wahlen in der Schweiz eine untere Gewichtslimite zu den Auswahlkriterien gehört. „ich habe einen Body-Mass-Index, BMI, von mindestens 18 empfohlen. Das ist wirklich nicht hoch angesetzt, aber die angehende Miss befindet sich wenigstens im gesunden Bereich.“ Stephan König hofft, dass dieses Gewichtskriterium künftig auch bei den Miss-Schweiz-Wahlen eingesetzt wird. Der BMI errechnet sich aus dem Gewicht geteilt durch die Körpergrösse in Metern im Quadrat.
Muse als Medizin
Wer Stephan Königs Terminkalender studiert, kann sich vorstellen, dass dieser kaum noch Zeit für Hobbys hat. Einer Leidenschaft kann er jedoch nicht widerstehen. Wann immer es die Zeit erlaubt, greift der dreifache Familienvater und mittlerweile auch einfache Grossvater zur Feder und schreibt Publikationen, Kurzgeschichten und Gedichte. „Inzwischen sind es gut 200 Verse, die ich geschrieben, jedoch nicht veröffentlicht habe“, gesteht er. Von seiner Frau Christine angespornt, sandte Stephan König im Milleniumsjahr nur ein einziges Mal ein Gedicht ein und gewann prompt beim Rilke-Gedichts-Wettbewerb. „Das kam total überraschend, und ich fühlte mich sehr geehrt“.
Das Schreiben ist für König nicht nur Hobby, sondern Medizin. „Gedichte verfassen bedeutet für mich entspannen und neue Energie tanken“.
Dr. Stephan König, kam Ihre Familie augrund Ihres grossen beruflichen Engagements in den vergangen Jahren zu kurz?
Ehrlich gesagt, ja. Meine Familie musste sehr viel Verständnis für meinen Beruf aufbringen. Ich habe die Schreibarbeiten der Praxis jeweils zu Hause erledigt, damit ich wenigstens am Abend bei meinen Lieben war. Zudem bin ich Vereinsleben ferngeblieben. Ich habe aber auch das Glück, eine sehr selbstständige Frau an meiner Seite zu wissen. Sie hat sich vorbildlich um den Haushalt und die Kinder gekümmert. Mittlerweile sind unsere Kinder erwachsen und die Verantwortung ist dementsprechend kleiner.
Welche Voraussetzungen muss eigentlich ein Kinderarzt mitbringen, um erfolgreich zu sein?
Man muss Kinder einfach gern haben und das Gespür besitzen, den richtigen Draht zu ihnen zu finden. Wenn man das Vertrauen der Kinder nicht gewinnen kann, hat man keine Chancen, sie zu untersuchen und zu behandeln.
Und starke Nerven sind wohl ein Muss?
Nein, überhaupt nicht. Kinder machen mich nicht müde. Sicher sollte man eher ein ruhiges Gemüt haben, um in hektischen Situationen nicht gleich nervös zu werden. Aber man braucht nicht mehr Nervenstärke als sonst. Im Gegenteil. Ich stelle mir vor, dass erwachsene Patienten viel nervenaufreibender sein können.
Sind die Kleinen nicht enttäuscht, wenn Sie ihnen aufgrund einer Spritze oder anderen Behandlungen Scherzen zufügen müssen?
Im ersten Moment manchmal schon. Wichtig ist, dass man ehrlich zu den Kindern ist und vor der Behandlung schon sagt, dass es weh tun wird, der Schmerz aber wieder vergeht. Ich erkläre den Kindern auch, aus welchen Gründen ich eine entsprechende Behandlung machen muss.
Was macht ihre Arbeit schliesslich zum Traumberuf?
Trotz dem gedrängten Tagesprogramm ist die Arbeitsatmosphäre locker und meine Patienten sorgen ständig für heitere Abwechslung. Auch wenn ich mal privat unterwegs bin, kommt es vor, dass mich plötzlich ein Kind freudestrahlend begrüsst. Ein besonders schöner Moment ist auch, wenn Jugendliche, welche ich früher als Kinder betreut habe, wieder zu mir in die Praxis kommen. Sie bitten um Rat bei einem Problem oder haben verschiedene Fragen – und zwar nicht unbedingt nur medizinischer Natur. Das zeigt mir doch, dass ich für diese Jugendliche seit ihrer Kindheit zu einer Vertrauensperson geworden bin.
Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Ihnen, den kleinen Patienten und deren Eltern?
Als Kinderarzt betreut man immer ein Duo – meistens sind es die Mütter, die ihre Schützlinge zum Arzt begleiten. In meinem Beruf ist die Zusammenarbeit, das Verständnis und die Offenheit zwischen Mutter, Kind und Arzt sehr wichtig. Je nach dem wie eine Mutter die Krankheitsdiagnose ihres Kindes aufnimmt, muss ich individuell reagieren und verschiedene Therapievorschläge unterbreiten. Ich brauche aber in jedem Fall die Zustimmung der Mutter bzw. der Eltern.
Trotz Ihrer Leidenschaft als Kinderarzt stossen auch Sie ab und zu an Ihre Grenzen. Haben Sie manchmal Selbstzweifel?
Wenn es bei einer Krankheit oder nach einer Operation bei einem Kind plötzlich zu ungeahnten Komplikationen kommt oder eine Krankheit sich anders entwickelt, als man erwartet hat, dann kommen schon Zweifel auf. Dann lese ich in Büchern nach, um mich zu vergewissern, dass ich das Menschenmöglichste unternommen habe. Ich biete den Eltern auch an, mich mehrmals am Tag ungeniert zu kontaktieren oder aufzusuchen, falls sie eine abrupte Veränderung des Zustandes ihres Kindes feststellen. Meine Arztgehilfinnen haben von mir die Anordnung, dass jedes akute Kind nach am selben Tag einen Termin bekommt, egal wie viele Patienten schon eingeschrieben sind. Denn gerade bei Kindern kann sich eine Krankheit innert kürzester Zeit verschlechtern bzw. verbessern.
Bei bestimmten Krankheiten werden ja immer auch Spezialisten hinzugezogen. Aber es ist schon hart, wenn man merkt, dass an einem gewissen Punkt auch die Medizin am Ende ihres Lateins steht. In solchen Momenten ist es wichtig, dass man sich von erfreulichen Tatsachen und genesenden Kindern wieder aufs Neue motivieren lässt.